DiFü-News: Aimo, du bist seit Januar 2023 Vorsitzender des Landesschüler:innenausschusses Berlin. Welche Daten werden eigentlich von Schüler:innen gesammelt und an der Schule gespeichert?

Aimo Görne: An Schulen werden viele sensible Daten gesammelt: Von Daten zu zahnmedizinischen Untersuchen, die an Schulen Pflicht sind, über die Erstsprache bis hin zum sozioökonomischen Status der Familie, also ob zum Beispiel jemand einen Berlinpass hat. Außerdem werden auch Daten zur Entwicklung der Schüler:innen gesammelt. Da bin ich manchmal sehr glücklich, dass es noch die Papierakte gibt, auf die man von außen nicht ohne weiteres zugreifen kann. Denn an guten Schulen sind diese Daten mit starken Passwörtern gesichert, an schlechten Schulen liegen diese Daten auf USB-Sticks – die dann aus Versehen an Schüler:innen ausgeliehen werden. Das ist tatsächlich schon passiert.

DiFü-News: Gibt es eine Möglichkeit, zu sagen: Ich möchte nicht, dass meine Daten gespeichert werden? Gibt es Datenschutzbeauftragte an Schulen?

Aimo Görne: Im Schulgesetz ist der Datenschutz verankert, das sehe ich auch in meiner Arbeit bei der Schüler:innen-Vertretung. Da gibt es eine schriftliche Belehrung, wofür die Daten genutzt werden dürfen. Und natürlich gibt es an Schulen Mitarbeitende, die für die Thematik sensibilisiert sind – dann aber auch wieder nicht. Es ist zum Beispiel absurd, dass an vielen Schulen immer noch USB-Sticks eingesetzt werden. Das ist so ein großes Sicherheitsrisiko. Ob es an Schulen Datenschutzbeauftragte gibt, hängt von den Schulen ab – flächendeckend gibt es das aber nicht.

DiFü-News: Ist IT-Sicherheit denn ein Thema an Schulen?

Aimo Görne: Es gibt in Berlin einen verpflichtenden Informatikunterricht. Da geht es um Standardfragen zum Thema Soft- und Hardware. Da wird vielleicht kurz angerissen, wie ein sicheres Passwort aussehen soll. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich auch lange kein besonders sicheres Passwort hatte.

DiFü-News: Das klingt, als sei der größte blinde Fleck die Awareness. Was muss passieren, damit sich das ändert?

Aimo Görne: Dass IT-Sicherheit im Pflichtunterricht stärker behandelt wird, und zwar nicht nur abstrakt, sondern ganz konkret. Lehrkräfte könnten Schüler:innen aufzeigen, was mit wenigen Daten alles machbar ist – dass zum Beispiel jemand schnell in deinem Namen Verträge abschließen kann. Das würde zeigen, warum es so wichtig ist, starke und vor allem für jede Anwendung verschiedene Passwörter zu haben – und wie wichtig Mechanismen wie z. B. die Zwei-Faktor-Authentisierung sind.

DiFü-News: Man gewinnt oft den Eindruck, dass gerade deine Generation ein gutes Verständnis und ein Händchen für Digitales hat. Wie würdest du die Kompetenzen der Digital Natives einschätzen zum Thema IT-Sicherheit?

Aimo Görne: Ich sehe zwei Seiten. Bei Social Media und Co. haben Jüngere gar keine Berührungsängste, das ist ein Vorteil. Aber Handys und Computer sind ja nicht nur Social-Media-Geräte, sondern Arbeitsgeräte. Bei Software wie PowerPoint oder Word ist das Wissen dann schon nicht mehr so ausgeprägt. Und: Die fehlende Berührungsangst geht auch oft mit einer fehlenden Skepsis einher. Während ältere Nutzer:innen eher skeptisch sind und deswegen eher auf komplizierte Passwörter setzen, sind Jüngere eher sorglos, weil sie oft weniger Awareness haben.

DiFü-News: Und wie siehst du die Kompetenzen bei den Lehrkräften? Gibt es auch im Lehrerzimmer große Unterschiede?

Aimo Görne: Da gibt es riesige Unterschiede. Wir haben Lehrkräfte, die alles digital machen, und dann haben wir welche, die sich dem Thema wirklich versperren. Dieser Gesellschaftswandel passiert erst jetzt und wird auch noch etwas dauern. Folglich unterscheidet sich auch das Niveau, auf dem Lehrkräfte das Wissen zum Thema IT-Sicherheit vermitteln.

DiFü-News: Was sind die größten Baustellen bei Lehrkräften zu IT-Sicherheit?

Aimo Görne: Ich würde das in drei Kompetenzbereiche aufteilen. Erstens: Hardware-Wissen. Welches Produkt nutze ich, wann nutze ich das Smartphone, die Bildungs-Cloud, iPads? Zweitens: Das Software-Wissen. Also einerseits die Fragen, wie ich das Wissen an meine Schüler:innen vermittle, aber auch, wie ich die Software selbst nutzen kann. Denn Lehrkräfte müssen ja hochkomplexen didaktischen Unterricht vorbereiten und durchführen. Dafür müssen sie wissen, welche Werkzeuge es gibt und wie sie die am besten einsetzen. Und darüber schwebt natürlich der dritte Bereich: Wie vermittle ich all das meinen Schüler:innen? Das betrifft die Arbeitswelt genauso wie den Privatbereich. Wie stark muss ein Passwort sein? Welche Bilder sollte ich hochladen, welche nicht? Und welche Daten behalte ich lieber für mich? Das ist ein breites Themenspektrum. Vielen ist noch gar nicht bewusst, dass es nicht reicht, iPads in die Schule zu werfen, sondern dass es vor allem darum geht, Wissen zu vermitteln.

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DiFü-News: Du hast das Themenspektrum angesprochen, das ja auch in den privaten Bereich übergeht. Gibt es Präventionswochen zum Beispiel zum Thema Revenge Porn?

Aimo Görne: Ich kann nicht sagen, dass es das an allen 900 Schulen nicht gibt, aber an den Schulen, die ich kenne und die ich selbst besucht habe: nein. Also klar, es gibt bei den Sozialarbeiter:innen, die in solchen Fällen häufig hinzugezogen werden, eine bedingte Sensibilisierung für das Thema, mehr als bei den meisten Lehrkräften. Aber vieles passiert reaktiv, also wenn schon etwas passiert ist, und nicht präventiv. Das ist echt schlimm. Schon früher wurden Bilder auf dem Schulhof herumgezeigt, aber wenn die einmal geschreddert waren, dann waren die weg. Das ist im digitalen Raum nicht so. Und wenn du Pech hast, dann wirst du das dein Leben lang nicht los. Daher ist es wichtig, Schüler:innen zu zeigen, was das für Folgen hat – dabei aber weniger auf Abschreckung setzen, sondern wirklich auf Aufklärung. Das ist eine Herausforderung, der wir uns lange stellen müssen. 

DiFü-News: Was frustriert dich zum Thema IT-Sicherheit an Schulen und was stimmt dich positiv?

Aimo Görne: Ich bin froh, dass es im politischen Raum angekommen ist. Klar, da muss noch einiges passieren und das wird wahrscheinlich einige Jahre dauern. Aber immerhin hat die Politik die Bedeutung erkannt und es ist auf der Tagesordnung. Dass Maßnahmen folgen, ist dann der zweite Schritt – und der ist bekanntlich schwieriger als der erste.

DiFü-News: Ein ganz anderes Thema, das aber aktuell im Schulkontext Wellen schlägt: Was hältst du von KI im Schulkontext?

Aimo Görne: Wir können nicht verhindern, dass KI verwendet wird und ja, es gibt viele Vorteile. Künstliche Intelligenz kann Lehrkräften viel Arbeit abnehmen. Aber da muss noch einiges weiterentwickelt werden. Und auch der Unterricht muss sich verändern: Statt der klassischen Hausaufgaben sollten Aufgaben eher so gestellt werden, dass Schüler:innen bewusst Wissen reproduzieren, zum Beispiel auch mündlich im Unterricht. Wenn darauf der Fokus liegt, dann kann man damit im Schulkontext positive Effekte mitnehmen.

DiFü-News: Was häufig bei ChatGPT kritisiert wird, ist, dass die Quellen nicht offenliegen. Wie sieht es bei Schüler:innen mit Quellen- und Medienkompetenz aus?

Aimo Görne: Da haben wir einen Vorteil im Bildungssystem. Lehrkräfte sagen ganz deutlich, dass Wikipedia zum Beispiel keine Quelle ist. Wenn du bei einem Vortrag keine Quellen angibst, dann sind das null Punkte. Gerade in Zeiten von Fake News gehört es auch dazu, nicht nur eine Quelle zu finden, die etwas bestätigt, sondern auch zu überprüfen, woher diese Quelle kommt. Quellen- und Medienkompetenz sind also unabdinglich.

DiFü-News: Kompetenz ist das Stichwort: Was wünschst du dir von Lehrkräften ganz konkret, wenn es um Digitalkompetenzen geht?

Aimo Görne: Das ist eine breite Themenpalette, aber so spontan würde ich sagen: Bitte seht das Ganze als Chance anstatt als weitere Belastung. Denn digitale Tools können auch viel Arbeit abnehmen, wenn sie einmal eingerichtet sind. Deswegen denke ich, dass es den Aufwand wert ist. Und: Bitte seht Digitales nicht nur als Unterrichtsstoff, sondern schaut es euch wirklich an und integriert es in den Unterricht. Wenn die Lehrkräfte sich selbst nicht gut auskennen, dann können sie es auch nicht vermitteln. Nicht ohne Grund gibt es ein jahrelanges Studium für Pädagogik und die entsprechenden Fächer – aber zum Thema Digitales oder IT-Sicherheit gibt es das nicht.

DiFü-News: Danke für das Gespräch, Aimo!

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Bild Aimo Görne: privat